Freitag, 2. September 2011

Ist Angst out?

(Aus der Reihe: Ist das Trend? und: Postkarten aus Afrika)

Es scheint (immer mehr?) Safari-Gäste zu geben, die sich und ihre Kinder in Lebensgefahr bringen, weil sie keine gesunde Angst vor wilden Tieren haben.
Wie kann das sein? Verlieren wir unsere menschlichen Ur-Instinkte?
               
Wie gesagt, die Camps in Botswana haben keine Zäune, die Tiere sind wild, und die meisten Raubtiere die einem begegnen können einen Menschen innerhalb Sekundenbruchteilen töten. Die Tiere bewegen sich ganz selbstverständlich durch die Camps, es ist ihr Territorium und sie verhalten sich dort ganz normal – fressen, ruhen, jagen. Deshalb muss man sehr aufmerksam sein, wenn man zu Fuß unterwegs ist und nachts darf man nicht einmal die Nasenspitze aus seinem Zelt stecken ohne Begleitung eines Guides mit sehr starken Taschenlampen.

Freunde sagen dazu: Du bist ja verrückt! Da hätte ich zu viel Angst! (Gesunde Reaktion)
Ich sage dazu: Oh wie spannend! (Ein bisschen verrückte Reaktion).
Manche andere Gäste sagen: Wieso? Die Löwen schlafen doch, fotografiere mich doch mal wie ich vor ihnen stehe – – (Letzte Reaktion ihres Lebens).

Ernsthaft: eine sehr typische Art und Weise, wie man sich von einem Löwen fressen lassen kann ist tatsächlich, dass man (zum Beispiel als Selbstfahrer im Kruger Park in Südafrika) aus dem Auto steigt, weil man denkt die Löwen würden ja schlafen, und ein Foto mit einem selbst und den Löwen drauf würde einfach fabelhaft aussehen!

Oder das alte Ehepaar, das im Mombo-Camp nachts auf dem erhöhten Holz-Weg saß, die Füße nach unten baumelnd, weil sie die sich darunter befindenden Löwen fotografieren wollten!

Und der Gipfel: Eins der Camps (Jao-Camp), hat ganz besonders hohe Holz-Gehwege (auf dem Foto sieht man: sogar die Lounge ist sehr hoch, ganz im Hintergrund sieht man die hohen Stege), zum Schutz der Gäste und damit auch Elefanten darunter durchlaufen können. Dort war ein großer Elefantenbulle dabei, unter einer dieser Brücken durchzulaufen. Was machte ein Gast mit seinem etwa vier -jährigen Kind*? Damit es ein tolles Foto gibt, senkte er das Kind langsam hinunter auf den Elefanten!!!!
(Muss ich erwähnen, dass nur ein kleiner Rüssel-Hieb beide töten und die Holzbrücke zum einstürzen bringen würde?). Ein Guide musste ganz langsam und vorsichtig heran kommen und das Kind retten.

Diese Geschichten haben mir die Guides erzählt, die diese Touristen persönlich retten mussten (bis auf Kruger-Park, das waren zwei chinesische Touristen, das ist nur eine der vielen Standard-Geschichten der Fachleute)**

Natürlich ist es entsetzlich, wie diese Menschen die Guides gefährden, die sich in lebensgefährliche Situationen begeben müssen um sie zu retten. Von den Kindern spreche ich schon gar nicht, wer sich so seinem Kind gegenüber verhält, dem müsste man es glatt wegnehmen! (Ich weiß, ich bin radikal, aber das ist doch kriminell!).

Vor allem aber stellt sich die Frage: Wie kann das passieren? Wieso haben sie Menschen keine gesunde Angst vor diesen Tieren??

Verlieren wir unsere normalen Instinkte, gar unseren Überlebensinstinkt??

Sind wir so daran gewöhnt, dass unsere Welt kontrolliert ist von Menschen, dass wir das Wild-Programm schon vollkommen aus unserem Gehirn verbannt haben?
Wachsen wir alle völlig ohne Natur-Erlebnisse auf, so dass wir jegliches Gespür für die Natur verloren haben?
Sehen wir die Welt nur noch als eine Art virtuelles Konstrukt, da unser Gehirn allmählich nur noch an YouTube-Videos und Wikipedia gewöhnt ist?
Können wir uns wilde Tiere nur noch in so einer Art Zoo vorstellen, wie Safari gar als eine Art DisneyWorld-Veranstaltung und glauben deshalb, dass die Tiere im Camp alle zahm sind (obwohl wir natürlich über ihre Wildheit aufgeklärt worden sind)?

Was ist mit uns los?
Und welche Folgen wird es für uns und unseren Planeten haben?

(Für diejenigen, die noch an die Wildheit der Tiere glauben: Die wichtigste Verhaltensregel ist, niemals, wirklich niemals los zu rennen. Denn in dem Moment, in dem man los rennt, sieht man wie ein Beutetier aus und in jedem Raubtier erwacht der automatische Jagd-Instinkt. Sehr nützliche Info, denn: Wenn man diese Regel beherzigt, kann man sogar Begegnungen mit Löwen zu Fuß überleben!
Sehr lustig und allgemein verständlich und genau aus den von mir beschriebenen Camps stammend ist das Buch „Don' t run whatever you do“ von dem ehemaligen Guide Peter Allison. Tolle Geschenkidee für alle Safari-Interessierten oder Neugierigen!)

*(Kleine Kinder waren früher bis zum Alter von 16 Jahren nicht einmal zugelassen für diese Art sehr offener Safari, geeigneter sind ohne Zweifel Safaris in Südafrika oder Osten Afrikas, wo es umzäunte Camps und geschlossene Autos gibt,…)
**Weitere Geschichten, die ich auch teilweise selber erlebt habe, gerne auf Anfrage

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