Dienstag, 22. Juli 2014

Rücktritte, einfach so.

(Aus der Reihe: Ist das Trend?)







Aus einer öffentlichen Rolle zurücktreten, sobald sie einem persönlich das gebracht hat was man haben wollte? 

Finden wir das gut?

Und warum trauen wir uns nicht unsere Meinung dazu zu sagen
wenn wir finden, dass es nicht in Ordnung ist?

Ist die Mitgliedschaft in der Nationalmannschaft nicht eine Ehre, statt ein lästiger Nebenjob? Ist ein Amt, in das man sehr persönlich hinein gewählt wurde, nicht ein verbindlicher Vertrauens-Vertrag für eine Wahlperiode, sondern ein Job wie jeder andere?

Wollen wir den „Rücktritt jederzeit“ als Vorbild?

Philipp Lahm, der bisherige Kapitän der Fußball-Nationalmannschaft (mit der er jetzt 2014 Weltmeister geworden ist), ist mit 30 Jahren zurückgetreten. Nur aus der Nationalmannschaft. Kurz vor der Mitteilung schloss er einen lukrativen Verlängerungs-Vertrag mit FC Bayern München ab, für vier Jahre (bis 2018, dem Zeitpunkt der nächsten WM).

Ohne Angabe von Gründen wie persönliche Angelegenheiten oder Gesundheit (Grund: „Es ist Zeit“)".

Das heißt: Er ist topfit, kann immerhin in einem der allerbesten Vereine der Welt* (und ja, auch JanaBlog muss es erwähnen: für sehr viel Geld) spielen. Und die Arbeit in der Nationalmannschaft hat ja das Gewünschte für ihn gebracht: er tritt als Weltmeister ab.

Aber entwertet er nicht damit unser Daumen-Drücken? Das Mitfiebern der ganzen Nation, die Illusion, dass es irgendwie wichtig ist in der Nationalmannschaft um die Weltmeisterschaft und Europameisterschaft zu kämpfen?

Er steht damit nicht allein:

Ole von Beust, der frühere Bürgermeister von Hamburg, wurde 2008 von den Bürgern Hamburgs tatsächlich sehr persönlich in das Amt gewählt. Sprich: Wäre er nicht persönlich als Kandidat angetreten, hätte seine Partei vermutlich nicht gewonnen. Er trat bereits nach zwei Jahren Amtszeit ab** – nicht aus gesundheitlichen Gründen oder ähnlichem, sondern – wieder einmal – einfach so („ ein vernünftiger Zeitpunkt“). Dabei könnte man doch die (immerhin nur!) Vierjahres-Amtsperiode als eine Art Vierjahres-Vertrauens-Vertrag mit den Hamburger Bürgern betrachten, oder nicht?

Ähnlich, zumindest emotional verwandt: der Rücktritt von Jürgen Klinsmann nach der WM 2006. Er hatte mit dem Sommermärchen etwas großartiges angestoßen, die ganze Nation dachte, jetzt geht es los, wir beginnen einen Anlauf auf den Weltmeister-Pokal, und er dreht sich um und geht weg. Ungeachtet dessen, welches Symbol er für das Land geworden war verlängerte er seinen Vertrag mit dem DFB nicht. Allerdings, er gab an „ausgebrannt“ zu sein (auch wenn er bereits einige Wochen nach der WM Gespräche über einen neuen Job (in den USA) führte und man denken könnte: Einen ordentlich verlängerten Urlaub hätte er doch bestimmt auch bekommen, oder?)***.

In 2014 nun sind die öffentlichen Reaktionen auf Philipp Lahms Rücktritt fast alle auffällig positiv, die meisten ehren ihn wie einen verstorbenen Staatsmann. JanaBlog hat nur zwei Stimmen gefunden, die sich Kritisches trauten: zunächst der Hamburger Abendblatts-Kommentator Alexander Laux. Er machte allerdings nur einen halbherzigen Versuch (http://www.abendblatt.de/sport/article130332476/Darf-WM-Held-Philipp-Lahm-so-einfach-aufhoeren.html). Denn er titulierte seinen Artikel mit „Darf Lahm so einfach aufhören?“, bezog sich dann aber in seinem Artikel nicht weiter auf diese Frage. Dafür sprach Gabor Steingart wie gewohnt klar – von der Gefahr eines unerwünschten Nachahmungseffekts.****


In manchen Kommentaren las JanaBlog, Philipp Lahm hätte vielleicht Angst davor, mit der Zeit nicht mehr so erfolgreich zu sein, nicht mehr so strahlend dazustehen. Nachvollziehbar, mit 30 Jahren vielleicht etwas ängstlich, aber wer weiß, vielleicht ist ihm das körperlich zu viel… Ach, da war doch noch was! Er traut sich zu/Bayern München traut ihm zu die Champions League zu gewinnen, aber für die Nationalmannschaft reicht es nicht?

Jetzt warum sagen wir nichts dazu? Ist unsere Kinder-Seele so verletzt, dass wir das gar nicht erst zugeben wollen? Dass eine Art Vertrauensbeziehung damit einseitig aufgekündigt wurde, und das auch immer irgendetwas emotionales hat?

Es muss etwas sehr starkes sein, denn sonst würden wir uns gegen die Vorbildfunktion in dieser Richtung wehren: Sollen wir unseren Kindern beibringen, dass ein öffentliches Amt, eine öffentliche Rolle nur eine Art Selbstbedienungsladen für den Selbstwert ist? Sobald man festgestellt hat, dass man Weltmeister werden kann bzw. dass einen die Menschen wählen, hat man ja alles aus der Sache herausgeholt für sich und kann sie fallen lassen.

Wie würde es aussehen, wenn alle guten Leute beim Erreichen ihres Karriere-Gipfels einfach zurücktreten würden?


JanaBlog-Ausblick:

Jetzt wo die Nationalmannschafts-Spieler in ihren Kondolenz-Bekundungen so verständnisvoll sind*****, müsste doch die ganze Nationalmannschaft geschlossen zurücktreten, oder?
Sie alle laufen Gefahr, nie mehr Weltmeister zu werden und damit ihren Zenith bereits überschritten zu haben!! Denkt da jetzt mancher: Hält mich Philipp Lahm oder gar andere für dumm, wenn ich nicht auf Nummer sicher gehe und jetzt als strahlender Star abtrete? ((Beruhigende Anmerkung von JanaBlog für die Spieler: Weltmeister und somit Held bleibt man für die Fans sein ganzes Leben lang! Egal was danach kommt!!))

Oder wollen wir lieber ein anderes Spiel spielen – eins auf angenehmes Risiko – – zu versuchen, Europameister 2016 zu werden? Gar – – noch einmal Weltmeister, in vier Jahren?

Eine solche Vorbildfunktion würde JanaBlog eher gefallen: 
dass schon alleine der Kampf um den Erfolg für das öffentliche Team den Spielern, Amtsinhabern und der Öffentlichkeit etwas wert ist…!


JanaBlog-Frage:

Wie ist es bei euch?
Falls (falls!) ihr findet, dass man ein gewähltes Amt auf Zeit/die Ehre der Nationalmannschaft nicht einfach so zurückgeben sollte, also nur für den Fall:

Habt ihr es auch ausgesprochen?








*JanaBlog hat nichts gegen Bayern München übrigens, ganz im Gegenteil! Vermutlich als einzige nördlich des Mains!
**Das fanden damals aber nicht alle gut, auch wenn nur die SPD damals JanaBlogs Gedanken fast wörtlich ausdrückte: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/hamburger-buergermeister-ole-von-beust-gibt-ruecktritt-bekannt-a-707147.html
***auch damals trauten sich wenige ein kritisches Wort, am besten zu sehen die vielfältigen Stimmen unter dem zweiten Link, Pressestimmen: http://de.wikipedia.org/wiki/Jürgen_Klinsmann#Nach_der_Fu.C3.9Fball-Weltmeisterschaft.C2.A02006
http://www.rp-online.de/sport/fussball/nationalelf/pressestimmen-zu-klinsmanns-dfb-ruecktritt-bid-1.1454014
**** Gabor Steingart in Handelsblatt Newsletter vom 21.7. 2014:
"Viele loben den Kapitän der Nationalmannschaft Philipp Lahm für seinen Rücktritt - auch unser heutiger Leitartikler. Dabei muss man nichts mehr fürchten als einen Nachahmungseffekt. Wenn es klug wäre, auf dem Höhepunkt der Karriere zu gehen, müssten die Chefs von VW, Daimler, BMW und SAP sowie Angela Merkel noch heute Vormittag ihre  Büros räumen. Das Ergebnis: Wir hätten mehr Helden und weniger Wohlstand".
*****JanaBlog versteht natürlich teilweise die Spieler, denn sie werden mit Philipp Lahm ja noch viel zu tun haben und ihm möglicherweise später als Trainer begegnen! Da will man nicht kritisch klingen...

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