Dienstag, 18. Oktober 2011

Smalltalk, bitte!

(Eine sehr europäische Postkarte aus Afrika)

Lustig und gesellig war es auf Safari, in den Jeeps, an den Tischen und an den Lagerfeuern.

Allerdings nur solange englische Muttersprachler Safari-Gäste waren. Neuerdings kommen die Europäer, und es herrscht: peinliches Schweigen!

Bis vor kurzem war man eine absolute Ausnahme in den Camps, wenn man nicht mit Muttersprache Englisch aufgewachsen war, denn die Safari-Veranstalter umwarben vor allem Amerikaner und Engländer. Angesichts der Finanzkrise wurde das Marketing ganz bewusst geändert und plötzlich beherrschen Europäer die Camps, teilweise ist sogar Deutsch die herrschende Sprache (Deutsche, Schweizer und Österreicher zusammen).

Ja, manche Europäer sprechen nicht gut genug Englisch. Ja, in Botswana ist Englisch die offizielle Sprache, und es ist schwer sich zu entscheiden, in welcher Sprache man ein Gespräch eröffnen will, um niemanden auszuschließen. Die Guides und Camp-Manager am Tisch arbeiten unglaublich hart, um das peinliche Schweigen nicht wachsen zu lassen. Aber noch nicht einmal die (zum Beispiel) Deutschsprachigen untereinander reden miteinander!!


Da erleben wir Europäer am eigenen Leib, wie es ist: wie es sich anfühlt, wenn wir zu faul sind wenigstens in ein bisschen Smalltalk zu investieren, nur weil wir denken das würde sich nicht lohnen, man würde sich vielleicht nur für einen Abend kennen lernen und sehen. Wie es sich anfühlt, wenn wir mit der Einstellung herangehen, Smalltalk sei etwas Verwerfliches, da "oberflächlich".
Wie es sich anfühlt? Peinlich, es fühlt sich wie eine Ablehnung an, unhöflich, beschämend.

So sehr alle über die Amerikaner lästern, wie laut und angeberisch sie auftreten können, plötzlich wünschen sich die Guides und Manager (und ich) die Amerikaner herbei. Denn im Vergleich zu uns Europäern erscheinen sie unglaublich warmherzig, großzügig und schließen niemanden aus. Von ihnen können wir da wirklich viel lernen!

Das tat ich auch: Eine Amerikanerin, die seit Ewigkeiten schon in Deutschland lebt, machte es uns deutschsprachigen Gästen nämlich vor (und führte uns damit ganz schön vor): an einem der Party-Abende im Camp saß sie neben einem Teenager aus der Schweiz, der dem Beispiel seines Vaters folgte in dem er seine Tischnachbarn völlig links liegen ließ und schlecht gelaunt vor sich hin starte. Auf Deutsch stellte sie ihm ein paar Fragen (was auf Safari ja so unendlich einfach ist! Wo kommst du her, in welchen Camps warst du schon, bist du das erste mal in Afrika, wie gefällt es dir? Welche Tiere hast du schon gesehen?…), zurückhaltend aber freundlich. Der junge Mann taute ein bisschen an, war aber zu unerfahren (! Na klar! Von den Eltern hat er es ja nicht gelernt!) um ein längeres Gespräch zu führen. Die deutsch sprechende Amerikanerin ließ ihn nach dem anfänglichen Smalltalk sanft in Ruhe, aber: Es war eine freundliche Atmosphäre geschaffen, beide entspannten sich.

Oder die Amerikanerin, die ich in einem der ein wenig größeren Flugzeuge für einen fünfzehnminütigen Flug kennen lernte. Ich weiß noch nicht einmal ihren Namen, aber sie kam aus Kalifornien und ich werde nie vergessen welch ein angeregtes, emotionales und informatives Gespräch wir führten – über Camps, über unsere Passion für Afrika, darüber dass viele unserer Freunde gar nicht verstehen was uns nach Afrika treibt... entstanden aus ganz leichtem Smalltalk!

Sollten wir es lernen? Den Wert dieser kleinen Begegnungen, seien sie noch so kurz, schätzen lernen? Und vor allem: Smalltalk lernen?

Klar, wir sind alle sehr selten in einem Safaricamp. Und vielleicht begeben wir uns ja in Europa gar nicht in diese Situationen, in denen man nur für kurze Zeit mit Fremden an einem Tisch sitzt*. Also: Kommen wir Europäer ohne Smalltalk exzellent zurecht?

Oder würden wir in Europa uns vielleicht auch gelegentlich besser fühlen – als Neuling in einer Stadt, in einer Firma oder auf einer Party mit unbekanntem Freundeskreis, als Single unter Paaren, als Kursteilnehmer, als Kongressteilnehmer, als Partygänger, oder, oder…, – wenn uns jemand mal nicht links liegen lässt sondern – sogar mit Smalltalk! – anspricht?

Diese Frage ist nicht rhetorisch! Nur Mut, was meint ihr dazu? (Ihr wisst ja, zum Anonym-Knopf herunterscrollen…)

 

*Denn leider sind die so genannten Dinnerparties zumindest in Deutschland überhaupt nicht verbreitet!

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