Mittwoch, 20. Juni 2012

Keine Kunden, dafür Meister. Art Basel.






Obligatorischer Aufreger bei White Cube,
mit Edelsteinen besetzt: Raqib Shaw "Small Adam"
Was wirklich passiert, sieht man nicht mehr. 

Auf der Art Basel sah man früher, wer und wie bei der Art Basel einkaufte: die Amerikaner: distinguierte schwer reiche alte Sammler-Ehepaare in weissen Sneakers, manchmal exzentrische Stars. Dann kamen die Russen (nicht in Sneakers): häufig die Ehefrau vorweg, mit Block, später Handy in der Hand, oder mit einem Berater im Schlepptau. Zugleich die Araber, mit langen Einkaufslisten. (Mehr zu den Sammlern von heute, einer großen Bewegung, in meinem Post: http://janablog1.blogspot.de/2012/01/artigarchen.html)

Jetzt sind die VIPs isoliert: vorneweg haben sie nicht nur einen, sondern gleich zwei VIP-Tage, zu denen man nur mit Einladung gelangt, und an denen die Geschäfte gemacht werden. Zudem entschweben sie jederzeit in die ganz oben angesiedelte VIP-Lounge, schön isoliert vom Fußvolk.

Ohnehin ist vieles schon verkauft, bevor es überhaupt zur Messe fährt- per jpg schicken die Galerien ihren Kundenkreisen bereits ihre Angebote, gekauft wird oft per Mail.

Aber noch gibt es das Live-Feeling, und die ehrwürdigen alten Supergaleristen im Plausch zu beobachten, und das Nicht-VIP-Fußvolk, und die Aufregung, und die Kunstwerke!

Verrückt diesmal: ich kann mit euch keine echte neue Entdeckung teilen! Sicher Geschmacksache, aber für JanaBlog wirkte es, als ob die Zeichen eindeutig auf extrem hohe Qualität bereits etablierter Künstler stünden.

Wie immer - ein mysterioses Phänomen eigentlich! - gibt es manche Künstler besonders viel zu sehen, diesmal:

Joan Mitchell
Lucio Fontana
Tony Cragg

Dafür praktisch nie zu sehen (nur zwei feine Werke):
Peter Doig
Detail aus: Edmund de Waal, " This is what I heard",
(Sich spiegelnd: Julian Opie, "Jeremy walking in stripy jumper.2",
der entspannt laufende Mann in einer bewegten Installation)
Daniel Richter
















Edmund de Waal ist ein Beispiel für erfolgreiche Marktwerterhöhung durch - na ja dadurch, dass man ganz überraschend ein Buch schreibt: Einen Roman, halb autobiografisch. Sehr gut, zugegeben, JanaBlog kann das Buch* nur wärmstens empfehlen. Edmund de Waal habe ich nun das erste Mal auf einer Kunstmesse bei mindestens zwei Galerien gesehen, obwohl er eigentlich "nur" ein Töpfer ist. Ein sehr feiner, in Japan geschult, und der Museumsausstellungen sehr geheimnisvoll bespielt mit seinen organisch-minimalistischen kleinen Gefäßansammlungen, was man besonders gut auf diesem Foto sehen kann.


Francesco Vezzoli "Self- Portrait as Emperor Hadrian
 Loving Antinous", (gesehen durch das eher dekorative
 als interessante Werk (Gerüst mit Jute-Abdeckung):
 Gabriel Kuri, ""Untitled" (Opening)")


Wunderschöne Idee von Francesco Vezzoli: im Stil alter römischer Büsten bildet er sich selbst ab, und stellt die eigene Büste so alten römischen Büsten gegenüber, als ob er mit ihnen kommunizieren würde. Ich liebe diese alten römischen (und griechischen) Köpfe, weil sie mir immer so echt vorkommen dass ich es Gefühl habe, wirklich die Menschen aus der Vergangenheit zu treffen, ganz persönlich. Und da ist die kommunikative Aufstellung Vezzolis nur der logische nächste Schritt.

Eigen+Art diesmal wieder dabei, mit zwei wunderschönen Neo Rauchs (JanaBlog überhaupt kein Fan, aber das muss ich wirklich zugeben! Diese Bilder zeigen Geschichten, die ich euch heute noch erzählen könnte! So einprägsam sind sie, dass man es sich nach der Menge andere Bilder noch merken kann).

White Cube immer wieder die wichtigste Galerie, schön und lustig zugleich: wie vor einem Altar standen jederzeit Fotografierende vor Damien Hirst, vielmehr vor seinem Schmetterlingsbild und davor, ganz altarmässig, einem großen Vitrine-Tresen aus Glas, voller medizinischer Instrumente.
Aber das schönste immer: Nirgends stehen so viele Menschen herum und telefonieren dekorativ, nur um sich dort sehen zu lassen.
Und White Cube muss natürlich auch liefern, ihrem Ruf gerecht werden. Also muss immer ein komplizierter, am besten auch mit Edelsteinen besetzter, fotogener Aufreger her, diesmal also:

Raqib Shaw "Small Adam", bemalte Bronze mit schwarzen Diamanten, Saphiren und Rubinen (und nein, JanaBlog hat nicht den Preis erfragt, Foto oben).


Jeff Wall "Young man wet with rain", 2011
 (mit Spiegelungen der ganz profanen
Messehallen-Anzeigen)
Bei White Cube allerdings auch für mich der persönliche "Gewinner" der Art Basel – besser gesagt in diesem Falle ein Verlierer: ein junger Mann, der so aussieht, als ob er sogar am Rande der Obdachlosigkeit sein könnte, jedenfalls jemand, den man sonst nicht sieht, durch den man auf der Straße gewöhnlich einfach hindurch schaut. Und genau diesen stellte Jeff Wall mit "Young man wet with rain" in all seiner Menschlichkeit in den Mittelpunkt. Überlebensgroß, sorgfältig inszeniert mit Wassertropfen und allem drum und dran.
Das Bild ist so intensiv, dass ich nie mehr achtlos an einem solchen Mann vorübergehen werde,

 – und schon hat Kunst wieder gewirkt!














Mehr zur Art Basel und Kunstsammlern von JanaBlog

Berichte von der Art Cologne von JanaBlog:



* Edmund de Waal: "Hase mit den Bernsteinaugen"

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