Montag, 20. Juni 2011

Trends, Revolutionen und eine Datsche auf der Art Basel

Jan Merta, Chata (Cervená slast), Cottage (Red Bliss), 2009
300 x 195 cm
"Datsche (Rote Wonne)", heißt dieses Bild, das sich riesig vor einem auftürmt und ironisch auf die Wochenendhaus-Kultur in Tschechien anspielt (von einem tschechischen Künstler, Titel aus dem Tschechischen übersetzt).

Ein kleines Kunstwerk überraschte mich: ein Stück groben Stoffs, schätzungsweise 40 × 50 cm an der Wand hängend, mit einem unregelmäßigen Riss, in dem weiße und zum Teil goldene Kunst-Perlen hineingenäht wurden, ganz so wie man sie von Kleidern kennt. Es heißt: "Pray", also, wenn ich es korrekt übersetze: "Bete". Es zeigt, dass es möglich ist: ein Kunstwerk aus völlig unerwartetem Material, Form, Haptik mit Lust es zu berühren und eine poetische Übersetzung einer Idee (vielleicht, meine Deutung: Beten als eine zarte, kostbare aber zaghaft vorgetragene Bitte, aber nicht schön und regelmäßig, sondern in Not vorgebracht (in dem unregelmäßigen Riss), ein bisschen unordentlich, mit zitternder Hand genäht…)
Liza Lou. Pray 2010-2011

Trends? Eine neue Mode ist, seine Kunstwerke nicht zu benennen und stattdessen zu schreiben  "title to be confirmed“, "not yet titled...". Das ist beim ersten Mal witzig, aber wenn man das mehr als vier Mal sieht, wird es zu einem simplen Trend.
Das erste interaktive Kunstwerk in Form eines interaktiven Screens war ganz interessant, Screens könnten die Galeristen aber gerne häufiger verwenden, wie nur eine Galerie, soweit ich sah: darauf könnten gerne Bilder von Kunstwerken laufen, die die Galerie nicht dabei hat aber anzubieten hat. Das würde den Umsatz ganz sicher nach oben treiben.

Gefreut habe ich mich, einige wunderbare Bilder von Alex Katz zu sehen, und (im Vergleich zur Art Cologne & letzten Jahr Basel) tauchten plötzlich in etlichen Galerien Bilder von Albert Oehlen auf, den ich früher überhaupt nicht mochte und der jetzt einen (für mich) neuen Stil zeigte. Und hin und wieder interessante chinesische oder koreanische Künstler, aber leider viel zu wenige, vermutlich machen die Bilder nicht die weite Reise bis nach Europa, da es nun die neue Messe Art Hongkong gibt.


Art Basel 2011, 100 Tonson Gallery, Art Feature Rirkrit Tiravanija

Schließlich ein Tableau, das Messe-Besucher und Künstler gemeinsam bildeten: eine Galerie aus Bangkok ließ Künstler ein thailändisches Gericht kochen und ausgeben, gleichzeitig malten die Künstler auf alle Wände, ganz in der Atmosphäre und in dem Sinne der arabischen Revolutionen (mit Aufschriften wie "Open Facebook" oder "Mubarak you are out“ und ähnlich). Sobald man von diesem Gericht gekostet hat, fühlte man sich glatt, als ob man die Diktatoren mit aus dem Amt getrieben hätte!

(Außerdem vielleicht interessant: Die Kritik an der diesjährigen Spitzen-Kunstmesse ist meines Erachtens durchaus berechtigt: es gab keine bemerkenswerten Plastiken, keine Wahrzeichen vor den Messegebäuden wie sonst, der nicht-kommerzielle Bereich (Art Unlimited) aus meiner Sicht so schlecht gestaltet, dass man sich den Ausflug dorthin hätte sparen können. Die Kojen selbst der besten Galerien waren eng, labyrinthisch gestaltet, so dass es zeitweise wirklich zu voll wurde. Und es mag stimmen, dass im Augenblick die tollsten Arbeiten gar nicht auf dem Markt sind, denn die Wirtschaftslage ist so gut dass keiner wirklich verkaufen muss, und wenn, dann tut er es angeblich auf Auktionen. Aber wie immer: für Menschen die nicht nur den Mainstream-Geschmack genießen, ist Basel ein wahres Eldorado!)

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