Montag, 9. April 2012

Japanisches für Deutschland

(Aus der Reihe: Postkarten aus Japan)




Mit Japan haben die Deutschen bereits viel gemeinsam, aber so manches wäre wert bei uns neu ausprobiert zu werden.


In Deutschland beschäftigen wir uns gerne mit den Schattenseiten Japans - schenken solchen Dingen wie hoher Selbstmordrate, dem Dilemma zwischen Individualität und einem mächtigen


Gemeinschaftsgefühl viel Aufmerksamkeit, oder dem Problem des Rassismus und Frauenfeindlichkeit in Japan.

Dabei verschwindet manchmal das Positive aus dem Blick.
Auch die Tatsache, dass wir als Deutsche mit den Japanern ausgesprochen viel gemeinsam haben.
Die Liebe zur Pünktlichkeit zum Beispiel und die Freude darüber, wenn "Dinge einfach funktionieren" oder etwas "gut gemacht ist". Oder auch eine höfliche Distanz, die uns von den preisverhandelnden "geselligen" Ländern trennt.


So liebevoll werden in Japan
 Baumzweige abgestützt


Anderes könnten wir von mir aus gerne auch in Deutschland ausprobieren:

Als Abenteuer am eigenen Leibe erfahren und regelrecht testen kann man in Japan zum Beispiel eine selbstverständliche Rücksichtnahme, ein geradezu organisches Gemeinschaftsgefühl. Es dauert nicht lange, da überlegt man selber genauso wie die Einheimischen, ob man beim Einsteigen in den Bus nun die Person da hinten in der Ecke behindert, oder wo man sich besser hinstellen sollte.

Oder die Liebe zur Schönheit im Alltäglichen, Sorgfalt dabei, wie die Dinge gestellt und benutzt werden - nicht nur beim Essen - das Schmücken der Auslagen oder Häuser je nach Jahreszeit (mit den passenden Zweigen), selbst mit einfachsten Mitteln.

Was ich sehr gerne auch hier erleben würde ist der japanische Stolz auf eine noch so kleine Tätigkeit. Jeder Taxifahrer ist ein Kapitän seines Schiffs, aber auch die Küchenjungen, oder der Straßenfeger macht sich Mühe und zieht daraus Selbstachtung und Befriedigung, dass er seine Sache gut macht und dass jede noch so kleine Rolle oder Aufgabe in der japanischen Gesellschaft traditionell zählt.
Und das ist keine Spekulation, denn das kann man bei der Begegnung mit den Menschen, ja einfach beim Beobachten der Menschen aus dem Hotelfenster spüren.

All das, gepaart mit einer tiefen Höflichkeit, ergibt ein Gefühl der Geborgenheit.
Denn bei all der Disziplin und klaren Regeln der japanischen Gesellschaft wirken die Menschen erstaunlicherweise nicht rigide. Einen Aufenthalt in Japan prägt eine sanfte, warmherzige Freundlichkeit.






Und wenn mal Japaner höflich und entfernt wirken dann spürt man sofort, dass dies nicht aus Abweisung, sondern deshalb erfolgt, weil sie einen gewissermaßen nicht mit der eigenen Persönlichkeit "behelligen" wollen, dies also aus Achtung tun.

Wie würde sich unser Leben ändern, wenn wir einiges davon auch nur ansatzweise ausprobieren würden?

1 Kommentar:

  1. die scheinbare distanz, die sich gründet in einer tiefen inneren aufmerksamkeit und konzentration, dem gegenüber achtsam und wohlwollend entgegenzutreten, ist eine elegante und vollendete form der höflichkeit. diese kann mitunter den hanseaten in dezenter dosierung zu eigen sein und wird ihnen doch oft als coolheit, arroganz ausgelegt.
    intensivere achtsamkeit von jedem zu jedem anderen ist an sich schon eine simple und profunde veränderung, die sich in der schlichten und doch umfassenden nonverbalen, als auch verbalen kommunikation in form von plötzlicher leichtigkeit und freundlichkeit ermöglichte, offenbarte.
    was die türen zu anderen zwischenmenschlichen wundern öffnete.

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