Donnerstag, 22. September 2011

Sofortness

Mich machen Hand-Trockner verrückt. Lieber suche ich ein Taschentuch!

Warum?

Nicht nur, weil es mir so vorkommt als ob unheimlich viel Energie in die Luft gepustet werden würde, sondern weil mich der Hand-Trockner mitten in meiner Bewegung stoppt, und ich es gewohnt bin, dass alles sehr schnell und vor allem: flüssig geht.

Bin ich ein Opfer der so genannten Sofortness?

Mit der Ungeduld bin ich nicht allein. Habt ihr in letzter Zeit Menschen (in Städten, in Vierteln in denen sich viele am Computer arbeitende Menschen bewegen) beobachtet oder nehmt ihr auch manchmal an euch wahr oder an euren Kollegen in der seltenen Warteschlange (typisches Beispiel: Post (nein, nicht Blog-, sondern das gute alte Postamt!)), welch eine Überwindung es einen kostet, da zu stehen und einfach nur – zu warten? Obwohl wir die Mobil-Spielzeuge in den Händen halten können, wie hibbelig viele Menschen da sind? Wie gestresst Menschen mittlerweile an Supermarkt-Kassen selbst nach kurzer Warteschlange reagieren?

Durch Geschwindigkeit insbesondere des Internets heute geraten wir in einen schnellen Fluss, wo alles nahtlos ineinander übergeht (Mails, SMS, Internet checken), wir können einen Knopf drücken und gleichzeitig schon die Antwort auf dem Bildschirm sehen, den Ausdruck in den Händen halten. Und dann rebelliert unser inneres System natürlich umso mehr, wenn plötzlich eine Art Vollbremsung geschieht und etwas in der realen Welt nicht funktioniert, oder man auf einen Zug warten muss, oder einen kurzen Gang zu in einem Shop machen muss und ähnlich. Unser Gehirn gewöhnt sich gerade tatsächlich nachhaltig daran, dass wir uns in einem schnellen Fluss durch unser Leben bewegen können, und vielleicht packen wir auch deshalb unsere Leben noch voller als früher, sind unsere* Tage sehr durchgetaktet.

Menschen die sich mit der Auswirkung des Internets auf unsere Leben beschäftigen suchen einen aussagekräftigen Begriff dafür, der Begriff der Digitalen Ungeduld und der Sofortness hat sich möglicherweise noch nicht durchgesetzt, drückt es aber vergleichsweise gut aus**. Er will einfach nur sagen, dass die Menschen in der technischen Welt ein extrem kurzes Reiz-Reaktions-Verhältnis zwischen ihren Wünschen und der Umwelt gewohnt sind, dass das Netz-Publikum das „Sofort“ als den einzig akzeptablen Zeitrahmen ansieht.

Und es ist klar: Sofortness ist nicht nur negativ, denn in der Internet-Digital-Welt funktioniert sie ja ausgesprochen gut, fordert zu schnellen Problemlösungen auf die in der Geschwindigkeit dort dann tatsächlich auch funktionieren.

Negativ wird sie nur, wenn sie uns in der realen Welt unnötigen Stress bereitet, also wenn das Stehen an einer Fußgängerampel plötzlich zur Qual wird.

Ich sehe schon, bald werden wir Trainings-Programme brauchen, in denen wir die verschiedenen Geschwindigkeits-Erwartungen für uns im Alltag steuern lernen, eine Art Grundkurs in Real-Welt-Zeitabläufen…




*Natürlich: auf der einen Seite die Menschen, deren Leben zu schnell ist, auf der anderen Seite diejenigen, die zu viel Zeit haben, obwohl sie es sich vielleicht anders wünschen würden – ohne Job oder in ähnlicher Situation.

 **Über Sofortness und Digitale Ungeduld gut nachzulesen im Spiegel Online-Artikel vom 13. Juli 2011

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