Donnerstag, 1. März 2012

Nicht gefragt





Die Stimmung bei der Familienfeier kippt und ihr wisst nicht genau warum?
Vielleicht vermeidbar.
Könnte sein, dass ihr nicht gefragt habt. Wie es so läuft, was er so treibt, nachdem ihr alle anderen gefragt habt. Den einen ungeklärten Verwandten nämlich den Kranken, eine Hausfrau, den Arbeitslosen, einen Behinderten

Manchmal werden diese Menschen noch nicht einmal nach ihrem Beruf gefragt, wenn sie nach 15 Jahren eine alte Arbeitskollegin treffen!

Am selben Tag, an dem JanaBlog das erfahren hat, lief ihr diese Karte (komplett zufällig!) über den Weg:)


Und er hat sogar gefragt!
Design-PLATINUM Cards

Auf diese Art kann man einen Engel verpassen, das ist schon blöd.
Aber stellt Euch vor, man verpasst so eine Fee, die einem drei Wünsche hätte erfüllen können!

Jetzt ernsthaft:

Einzelne Menschen ausschließen - das beginnt ganz leicht mit einem ersten Schritt: Wir fragen sie nicht.
Danach, wie ihr Alltag so läuft, was sie so tun, normale höfliche Smalltalk-Fragen eben (ganz zu schweigen natürlich von der riskanten Frage "wie es geht").

Bei Familienzusammenkünften oder Freundes-Treffen, Partys, halbgeschäftlichen Events (ja, gibt es noch), bei denen ansonsten jeder reihum gefragt wird.
Was kommt dabei heraus? Und warum tun wir das?

Wer nicht gefragt wird?
Chronisch oder schwer Kranke, Behinderte, Ehefrauen bei Geschäftsevents, Eltern mit behinderten Kindern und diejenigen, bei denen es seit längerem insgesamt nicht super läuft. Potentiell kann es also jeden irgendwann treffen.

Nach jahrelanger Beobachtung und Interviews seitens JanaBlog also:

-Chronisch oder schwer Kranke sowie Behinderte vorneweg. Bestimmt habt ihr aber auch gelesen oder sogar beobachtet, dass sich Freunde sogar ganz abwenden, wenn es irgendwie schwierig wird - bei Krankheit, bei Geburt eines behinderten Kindes, Scheidung und Allein- erziehende-Mutter-Werden, diejenigen werden also bestimmt auch nicht viel gefragt.

-Ehefrauen von Geschäftsfreunden werden auch in unseren Zeiten immer wieder nicht nach ihrem Leben befragt, nicht mal mit höflich kurzer Frage. Aus Angst, dass diese "nur Hausfrauen sind und nichts Interessantes zu erzählen haben". Gerne auch: "...weil man Angst hat, dass es den Ehefrauen selber peinlich werden würde, dass sie keinen normalen Job aufweisen können".*

-Wer eine Durststrecke hat und bei dem es langfristig schlecht läuft - kein Job, schlechter Job, kein Partner, Geldschwierigkeiten..., kann aus der Fragerunde auf Dauer auch leicht herausfallen.

Wer nicht fragt?
Wir alle, glaube ich. Selten bewusst, aber manchmal halb-bewusst und meist unbewusst. JanaBlog inklusive.

Voraussetzung (Achtung, Klartext!):
Lasst uns nur von den "netten" Ehefrauen, Kranken, Arbeitslosen reden, also nicht denjenigen bei denen es schwer fällt zu fragen wegen ihres Verhaltens (also wenn endlose Monologe drohen, Weinerlichkeit, chronische Überanspruchung des Gesprächsrahmens oder des Fragenden, der damit bereits wiederholt schlechte Erfahrungen gemacht hat und deswegen nicht mehr fragt.)
JanaBlog-Spekulationen:

- Das Argument, dass es den Gefragten unangenehm ist, gefragt zu werden, zieht nicht. Sie werden für den Fall schon eine oberflächliche schönfärbende Kurzversion als Antwort parat haben und schnell auf ein anderes Thema springen!

- Wir können nur mit 0815-Berichten etwas anfangen - "im Job Umstrukturierung, stressig, Kinder jetzt auf der Suche nach neuer Schule,... - und bei dir?"

- Wir leben in Deutschland, also einem Land in dem es denkbar ist, dass einzelne Anwesende nicht zumindest aus Höflichkeit nach ihrem Befinden gefragt werden.

- Wir haben nicht gelernt gut zu kommunizieren - wissen also nicht, wie wir uns positiv aus Gesprächsthemen herausmanövrieren können, die uns oder dem Gesprächspartner nicht vertraut/angenehm sind. Also umfahren wir diesen Gefahrenbereich von vornherein großräumig.

Effekt:


Die Nicht-Gefragten fühlen sich ausgeschlossen und in ihrem Wert innerhalb der Gruppe herabgesetzt.
Zurecht, oder? Jedenfalls wenn sonst alle anderen der Gruppe generell zu ihrem Leben befragt werden, nur sie nicht?

Weitere denkbare und bekannte Verläufe: Die Nicht-Gefragten ziehen sich deswegen vielleicht immer weiter zurück, verlieren wirklich den Rückhalt ihrer Gruppe, geraten in Isolation... Das kann zur Verschlechterung ihrer Gesamtsituation, ihrer Gesundheit bis hin zu Depressionen führen gerade in Zeiten, in denen sie Rückhalt und Zugehörigkeit besonders nötig hätten.
JanaBlog-Frage: Woher kommt's?

Sind wir nur bequem?
Oder wollen wir das Ausschließen vielleicht?

Ist das irgendeine uralte darwinistische Selektionsautomatik nach dem Motto: Die Schwächeren zählen nicht?

Oder haben wir so eine Art mittelalterliche Angst davor, dass die Krankheit/Pech auf uns überspringt, wenn wir uns mit einem Betroffenen beschäftigen?

Und - immer vorausgesetzt dass es eigentlich echte Mitglieder unserer Gruppe/Sippe sind und eigentlich ganz verträgliche oder gar nette und interessante Zeitgenossen:

Warum fällt es uns so schwer damit zu leben, dass selbst eine Hausfrau, ein chronisch Kranker und ein Arbeitsloser einen Alltag haben, Projekte, Jobs, Erfolge und so weiter - also ein Leben? Oder gar: dass selbst wenn der Alltag im Suchen eines Jobs oder Investoren für Projekte besteht, der Organisation von Familienleben, Bekämpfen einer Krankheit - es ein Leben ist? Und dass auch ein solcher Alltag einen Wert hat?

(Oder zumindest im Smalltalk ganz leicht kurz erwähnt werden kann.)


Habt ihr das auch schon beobachtet?

Was meint ihr dazu?





*Wiederholter O-Ton bei Befragung der Geschäfts-Gesprächspartner.
Ehefrauen-Problematik übrigens seltsam in einem Land, in dem vergleichsweise besonders viele Frauen zu Hause bleiben und keinem offiziellen Job nachgehen!

4 Kommentare:

  1. Ich habe oft beobachtet, daß mein Umfeld so mit sich emotional beschäftigt ist, daß es schon deshalb keine Kapazität für Andere hat. Bei näherer Beleuchtung kamen dann Probleme, Sorgen, Ängste an die Oberfläche. Nun abseits von den klassischen Oberflächlichkeiten sind die Gründe für extreme Ausgrenzungen sogar wissenschaftlich belegt: schaut bei Daniel Kahneman nach (Nobelpreisträger für Cognitive Sciences).

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  2. wow, was fuer eine offenheit! ich glaube, es hilft nur sein eigenes feld weiterhin zu beackern und sich darin zu üben. sich darin zum experten machen, was einem gut tut, und davon mit einer gelassenheit berichten, wenn man gefragt wird. wenn nicht, sind sie selbst schuld. du durchschaust doch das spiel, oder?
    alle kochen nur mit wasser, selbst die, die in dieser systemebene spielen, wo man mit badewannen voller geld belohnt wird. lass dir doch nicht den schneid abkaufen!

    ich werde auch nie gefragt, wie es mir geht bei den familiären zusammenkünften.
    und ich bin fuer meine begriffe erfolgreich, jawoll. mein alterswerk wird es eh beweisen.

    also ran an die kartoffeln!

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    1. Die JanaBlog-Frage ist ja: WARUM wirst du nie gefragt bei familiären Zusammenkünften?

      Und was ist das Spiel?

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  3. ich glaube zuviele männliche naturwissenschaftler am tisch, die keinen sinn fuer die poesie des lebens haben (klingt kitschig, nich?)

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