wenn Kinder im
öffentlichen Raum Grenzen überschreiten und
ihre Eltern wortlos
danebenstehen?
Ohne als kinderfeindlich bezeichnet zu werden?
Vermutlich, denn es scheint immer mehr zu brodeln, als ob die
Uhr ticken würde, demnächst jemandem der Kragen platzen würde.
Dabei gibt es ungefährliche
Formulierungen, die zuallererst diejenigen retten könnten, die am meisten
zu leiden haben unter der neuen öffentlichen Kinder-Freiheit:
Die Verkäufer im Einzelhandel.
JanaBlog hat sich noch nie etwas getraut, aber um sie herum braut sich was zusammen:
Ihr kennt das
bestimmt auch alle – wenn alle Gespräche im Laden erstorben sind und peinliche
Stille eintritt.
Wenn sich alle Blicke zum anwesenden Elternteil des Kindes
richten.
Oder wenn im Café um euch herum mehrere Gespräche über
ungezogene Kinder auffällig laut stattfinden, gerade in einer Lautstärke, dass
es die Eltern hören könnten, aber nicht so, dass es als Angriff wirken würde.
Da scheint es nur noch eines winzigen Schritts zu bedürfen,
laut etwas zu den Eltern selbst zu sagen.
Beispiel?
Ein hektischer Samstagvormittag
in einer Apotheke in einem Akademiker-Hipster-Viertel in Hamburg: eine Mutter-Kundin mit
einem schlafenden Säugling im Tuch und einem etwa achtjährigen Jungen.
Die Mutter hält ungefähr zehn wartende Zukunfts-Kunden auf,
indem sie der Apothekerin nach Abwicklung ihrer eigentlichen Bestellung noch
Rätsel aufgibt – „…Ich suche eine Creme, die war in so einem grünen Tiegel, ich
weiß gar nicht ob ich es aus einer Apotheke hatte, könnten Sie nachschauen? Wie
sie hieß weiß ich nicht, …“
Während die Apothekerin hektisch versucht im Computer
kreativ zu werden, stützt sich der Achtjährige auf den Tresen, steckt sein Gesicht in ihr Gesichtsfeld
und fragt ob er einen „dieser Anhänger“ bekommen könne (er ist anscheinend
Profi und war schon ein paar Mal da, als die Apotheke letztens großzügig irgendwelche
Schlüsselanhänger für Kinder ausgab).
Die Apothekerin
möchte ihm völlig offensichtlich auf sein großspuriges Auftreten hin oder
wahlweise: zum zehnten Mal nicht einen Anhänger geben und sagt sie glaube nicht, dass sie noch einen hat.
Was macht der Junge? Er
quetscht sich hinter die Ladentheke (auf eine hohe Stufe, hinter den Tresen
kletternd wo sich tatsächlich nur die Verkaufenden aufhalten dürfen – in einer
Apotheke mit allerlei Medikamenten und sonstigen offen liegenden Dingen –) und sagt, in einer Kiste unter der Kasse wühlend: "Da ist doch noch ein
Anhänger!" – Die Mutter vor der
Ladentheke sagt nichts, obwohl ihr
Baby vollkommen ruhig ist und es auch sonst nichts zu tun gibt – nicht einmal
ihr iPhone ist im Betrieb.
Die immer gestresstere
Apothekerin hat die zehn wartenden Zuschauer im Blick, nickt dem Jungen mit einem Seufzer kaum wahrnehmbar zu, um ihn
loszuwerden, und er quetscht sich mit seiner Beute zurück in den Verkaufsraum.
Während dieser Szene senkt
sich Stille über den Laden. Alle halten den Atem an und schauen zur
Mutter, die so tut als ob nichts wäre. Das hält sie auch durch als sich ihr Junge anschließend auf die Dreh-Regale neben
ihr stürzt, sich auf ihnen dreht und auf ihnen surft. Diese sind ja auf
Rollen und damit sehr instabil – sie machen nicht nur einen Heiden-Krach und können beschädigt werden, sondern sind für das Kind zum Ausrutschen
oder Umfallen durchaus nicht
ungefährlich. Die Spannung steigt
im Raum, wäre der Krach nicht so deutlich, würde man eine Stecknadel fallen
hören … Und JanaBlog meint das Tick-Tick-Tick im Hintergrund zu hören …
Jeder Verkäufer
könnte zig solche Geschichten erzählen,
man muss nicht unbedingt ein Angestellter in einem Laden mit
für Kinder leicht zugänglichem Modeschmuck sein, um seine Zähne bereits halb
ab-geknirscht zu haben beim routinierten professionellen Lächeln. Verkäufer
berichten tatsächlich von solchen
Situationen als dem größten Stressfaktor wenn man sie nach ihrer Arbeit
fragt.
Am Eingang eines Einrichtungs-Ladens im Prenzlauer Berg, Berlin |
Cafés in denen sich
Leute zu ernsthaften Gesprächen nicht treffen wollen, weil ihnen dort „zu viele
Mütter“ sind, Hotel-Wellness-Abteilungen,
die gemieden werden, weil manche Familien die ihnen zugeteilten Kinder-Pool-Nutzungs-Zeiten
nicht respektieren und Kinos und Bars(ja,
kein Tippfehler!), in denen kleine Kinder sogar nach Mitternacht herumtoben
(verständlicherweise, völlig übermüdet), sind zum neuen Alltag geworden.
Aber so wie die Menschen hinter vorgehaltener Hand reden
scheint es doch nicht sooo akzeptiert zu sein. Und die Unzufriedenheits-Linie verläuft nicht zwischen Kinder-habenden
und nicht-habenden Menschen, Eltern sind diesbezüglich genauso kritisch,
insbesondere wenn sie mal selbst ohne Kinder unterwegs sein wollen (http://muttis-blog.net/2014/01/05/hotels-und-restaurants-ohne-zutritt-fur-kinder-ein-skandal-ein-segen/).
Und trotzdem ist es immer noch ungewöhnlich und fühlt sich
ein bisschen nach Shitstorm-Gefahr an, wenn man irgendwo ein Schild findet wie in
einem japanischen Restaurant in Berlin, das Kindern unter zwölf Jahren den
Zutritt verbietet. (Zur Verhinderung eines Shitstorms gibt JanaBlog hier nicht
den Namen des Restaurants an, dieser kann auf Anfrage nachgereicht werden.).
Was man tun könnte?
Hier ein paar
JanaBlog Ideen:
Bevor einem der Kragen platzt, vielleicht ganz höflich die Eltern (immer die
Eltern, sie sind zuständig) ansprechen:
Als Wirt oder Verkäufer:
Es tut mir leid,
- aus
Sicherheitsgründen darf hier niemand hinter den Tresen/Ladentheke/Bar,
- die drehbaren Ausstellung-Türme sind nicht abgesichert,
das könnte ein bisschen gefährlich
werden (für Ihr Kind)
- bevor Sie gehen bin
ich verpflichtet den Bestand der Ohrringe dort in der Ecke zu überprüfen …
Als Café-Besucher:
Entschuldigung, ich wollte nur sagen, dass es
- in unserer Ecke so
laut ist, dass wir uns nicht verstehen können
- wir ein bisschen
Angst haben, dass Ihre Kleine, die über unserem Tisch auf dem Felsen herumklettert(wahre
Geschichte), auf unseren Tisch fallen könnte …
- Es nicht so
weit kommen lassen, dass man aus der
Haut fährt.
- So oft wie möglich völlig neutral formulieren, denn es besteht doch immer die Möglichkeit
dass die Eltern einfach so zerstreut sind, dass sie zufällig übersehen haben
dass die Kinder außer Rand und Band sind. Und sobald sie hören, dass andere
sich betroffen fühlen, werden sie natürlich sofort intervenieren!
- Und auf Sicherheitsbedenken
und eure Pflichten hinzuweisen – auch wenn ihr sie aus dem Stegreif erfunden
habt – ist kein Flunkern. Solche Befürchtungen entsprechen ja völlig der Realität! Denn was passiert der
Apothekerin, wenn der Ausstellungs-Turm auf das Kind fällt? Oder der
Verkäuferin, wenn ein Kind in einem Schmuck-Laden einen Ohrring verschluckt?
Nur einmal hat JanaBlog
eine Heldin des Alltags erlebt, die das Undenkbare gewagt hat, und sogar weit
über die hier erwähnten Ideen hinausgegangen ist:
In einem
Secondhandladen, in einem ähnlichen Viertel wie dem mit der Apotheke, mit
einem alten Holzboden der selbst bei
normaler Benutzung knirscht und laut hallt. Die Verkäuferin ist dabei sich
an der Kasse zu konzentrieren, um zu entscheiden, welche Ware sie von der vor
ihr stehenden Kundin annimmt und welche nicht. Den Laden betritt eine Mutter mit
einem mindestens zehnjährigen Jungen, der einen kleinen Ball ununterbrochen
gegen den lauten Boden wirft.
Umpf,
Umpf.
Umpf,
Umpf. …
((Tick. Tick. Tick.))
Da hebt die
Verkäuferin den Kopf, schaut den Spielenden quer durch den Raum ganz ruhig
an und sagt mit fester Stimme: „Entschuldige, das mit dem Ball ist ein
bisschen laut und ich muss mich hier konzentrieren, das stört ein bisschen.
Könntest du damit aufhören?“
Die Spannung ist in
der Stille förmlich mit den Händen zu greifen, keiner der restlichen Kunden
wagt sich zu bewegen, es ist als ob man einen Unfall beobachten würde, jede
Sekunde eine kleine Ewigkeit. Was würde
die Mutter machen?
– – – ............. Der
Junge schaut die Verkäuferin an, als ob er einen Geist sehen würde, und hört vor Schreck mit dem Ballspiel auf.
Er sieht so aus, als ob ihm noch niemals jemand so etwas gesagt hätte – und
eins dürfte stimmen: ein Fremder wird
ihm eine ähnliche Frage vermutlich noch nie gestellt haben.
Und die Mutter?
Sie schien zu versuchen regungslos mit
ihrer Umgebung zu verschmelzen wie ein Stealth-Bomber – aber genau weiß das
niemand, denn keiner traute sich, zu ihr hinzuschauen. Zu hören jedenfalls war
nichts.
Naja, vielleicht gibt es ja Hoffnung auch für diejenigen,
die sich nicht trauen. In letzter Zeit hört JanaBlog von verschiedenen Twentysomethings wie sie sich beschweren, dass das Shoppen
keinen Spaß macht, weil die Mütter (ihres eigenen Alters) ihre Kinder in die Umkleidekabinen mitbringen.
Warum „sie ihre Kleinen denn nicht für die paar Stunden beim Mann oder Oma oder
sonstig babysitten lassen, oder eben mal online einkaufen könnten, oder sich nicht
unter der Woche einen Tag frei nehmen würden, wenn das Kind im Kindergarten ist?“,
mosern sie sichtlich genervt …
… Wer weiß, möglicherweise kommt es ja gar nicht dazu, dass
jemandem der Kragen platzen muss, vielleicht sagt die neueste Generation ja was, ganz entspannt!
Aber so oder so: Tickt da eine Uhr, oder beißen alle weiter die Zähne zusammen?
Aber so oder so: Tickt da eine Uhr, oder beißen alle weiter die Zähne zusammen?
Ähnliches von JanaBlog:
http://janablog1.blogspot.de/2015/06/achtung-verachtlich.html
http://janablog1.blogspot.de/2013/11/nach-dem-studium-rosa.html
http://janablog1.blogspot.de/2013/11/nach-dem-studium-rosa.html
Heißt „Erregungskurven“,
und ist ganz normal im Buchhandel erhältlich, auch als E-Book, und
international (JanaBlog-Leser in den USA aufgepasst)!
Näheres hier:
Oder gleich bei Bücher de.
Oder bei Amazon, wo man ins Buch hineinsch bis Spielen auen kann::
http://www.amazon.de/Erregungskurven-Manches-aus-JanaBlog-2011/dp/3848206633/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1355916854&sr=8-1
Für JanaBlog-Leser in den USA auch hier erhältlich:
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