Donnerstag, 10. Mai 2012

Meine Mutter, die Spinne




"Maman", Bronze, Stahl, Marmor, Louise Bourgeois, 1999

Eure Mutter als Spinne darstellen - wie fände sie das wohl?

Manche behaupten, das könnte man sehr positiv sehen, als Hommage an die Mama.
Aber vielleicht sollten wir nicht auf alles hören, was uns (Kunsthistoriker) so sagen.

"Maman" heißt diese gigantische Spinne einer der wichtigsten Künstlerinnen unserer Zeit, Louise Bourgeois (1911-2010) und, soll laut so mancher Kunstexperten als "positiv besetzte Figur (der Spinne) als Hommage an ihre eigene Mutter" von Bourgeois verstanden worden sein, und:
"Das unermüdliche Wiederherstellen und Restaurieren von Gewebe, das auch Spinnen eigen ist, wird zugleich zu einem Symbol für das unendliche, sich wiederholende und erneuernde Leben im Allgemeinem."*

Dazu muss man wissen, dass Bourgeois' Mutter Weberin war. Dass Bourgeois selbst sehr sauer war auf ihren Vater, der die Mutter mit Bourgeois' Kindermädchen betrogen hat. Dass sie selbst zu ihrem Werke gesagt hat:

"Ich vergebe nicht und ich vergesse nicht. Das ist das Motto, das meine Arbeit nährt.“ **

Und dass sie zwar gesagt hat,

"My best friend was my mother and she was deliberate, clever, patient, soothing, reasonable, dainty, subtle, indispensable, neat, and as useful as a spider"
(Bernadac & Obrist 1998 p.321)

"Meine beste Freundin war meine Mutter, und sie war überlegt, klug, geduldig, besänftigend, vernünftig, anmutig, feinsinnig, unverzichtbar, ordentlich und so
nützlich wie eine Spinne."

"Maman", Bronze, Stahl, Marmor, Louise Bourgeois, 1999
So sieht die Spinne aus, wenn
das Wetter nicht ganz so fröhlich ist
Foto: Trisha McCrae

Aber: sie hat sehr wohl auch Hinweise darauf gegeben, dass ihre Beziehung zu ihrer Mutter so einfach nicht war. Und dass sie ihrer Mutter möglicherweise vorgeworfen hat, dass sie sie (und sich?) nicht besser geschützt hat, also nichts gegen den Verrat des Vaters unternommen hat zum Beispiel.****

Aber all die Theorie brauchen wir ja vielleicht gar nicht.

Ich habe noch niemanden getroffen (und glaubt mir, ich frage jetzt JEDEN), der die Spinne als eine Erfahrung von Geborgenheit erlebt. Für alle meine Gesprächspartner hat es etwas zutiefst beklemmendes, selbst wenn man kein Problem mit Spinnen hat. Die Menschen einwebend, übermächtig, gefährlich, erstickend, das waren eher die Adjektive.

Und wozu webt denn eine Spinne ihre Netze? Doch nicht zur Bewahrung oder Wiederherstellung von Leben sondern - seien wir ganz offen: zum Töten kleinerer schwächerer (Insekten).

Offizieller Flyer der Ausstellung
Foto:Peter Bellamy
Man darf sich nicht von dem fröhlichen Lächeln von Louise Bourgeois unter einer ihrer kleineren Spinnen täuschen lassen, denn ihr sonstiges Werk spricht eine andere Sprache:

"Lady in Waiting" (übers.:Hofdame, Zofe) heißt die Puppe auf dem mit Gobelin bespannten Sessel (der wiederum nur eine Anspielung auf die Mutter/Weberin sein kann).
Die arme kleine Puppe ist ohnehin schon komplett mit Gobelin-Stoff bezogen, und in ihren Mund führen zwei (Spinn-Weben?-)Fäden.
Das Schlimmste aber: mitten aus ihrem kleinen Körper brechen Stahl-Spinnen-Beine heraus, aggressiv und sicher schmerzlich, so als ob die Stahl-Spinne sich bereits so in ihr angesiedelt hätte, dass sie ihren Körper nun ganz übernimmt.

Keine positive Hommage, sondern echte Zombie-Situation!




"Lady in Waiting" von
Louise Bourgeois
Foto: Christopher Burke




Macht euch selbst ein Bild.
Die äußerst empfehlenswerte Ausstellung in der Kunsthalle Hamburg (mit der Spinne direkt neben der Kunsthalle) läuft noch bis 17.6.2012.


















* Flyer zur Ausstellung Passage Dangereux, Hamburger Kusthalle
**Kulturzeit extra, Alles ist möglich, 3sat
***(Bernadac & Obrist 1998 p.321), mehr auf :http://www.artandeducation.net/paper/louise-bourgeois-maman-from-the-outside-in/
**** Selbst Laien finden innerhalb kürzester Zeit im Internet Hinweise darauf!Noch einmal der Hinweis auf http://www.artandeducation.net/paper/louise-bourgeois-maman-from-the-outside-in/


2 Kommentare:

  1. EIn Phall fuer Louise...

    Also ich (als Anonyma) sehe da keine Spinnen, diese doch eher flachen, tiefgelegten Ekel-Insekten. Fuer mich strahlen diese Grossplastiken von von Loubou eher Erhabenheit, etwas Sakrales, den hochaufstrebenden Pfeilern einer gotischen Kathedrale aehnlich, aus, - eher die Psycho-Raeumlichkeit eines "Sozial-Uterus", als Metapher fuer unseren primaeren ontogenetischen Chillout Space. Und damit huldigt sie tiefstempfunden ihrem Mutterbild.
    Der Vater wurde dagegen sehr viel konkreter verarbeitet (vielleicht auch bestand ihm gegenueber eine Sublimationsbarriere?) Wie dem auch sei, 
    der verhasste Vater wird von Loubou entmannt und die Trophaee dann triumphierend von hinnen geschafft: glaenzend auf einem prachtvollen Foto von Robert Mapplethorpe verewigt (bitte bei Google-Bild "Bourgeoise + Phallus" eingeben). Aber auch zuvor duerften seine Spermien sich an den in "Maman" implementierten Marmoreiern (sic! Uterus) die Koepfe eingerannt haben.

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  2. danke fuer den den kommentar. es ist genau so! und das foto von mapplethorpe ist wirklich gross. da kriegt man eigentlich wieder lust selbst wildern zu gehen.

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